Gurdjieff´s Experiment mit einem Medium (Hypnose durch Klaviertöne)

Gurdjieff rief uns alle im Salon zusammen und verkündete, er wolle uns das Experiment, das er mit der Tochter durchzuführen gedenke, im Voraus erklären. Er erinnerte uns daran, dass er uns bereits erzählt hatte, sie sei „besonders hypnotisierbar", und fügte noch hinzu, ihm seien im Leben nur sehr selten Personen begegnet, die für eine ganz spezielle Art der Hypnose zugänglich wären, und die Tochter sei eine davon. Er beschrieb uns zuerst die gängige Form der Hypnose, die für gewöhnlich so vor sich ging, dass die Versuchsperson sich auf einen Gegenstand konzentrieren musste, bevor die eigentliche Hypnose eingeleitet wurde.

Dann sagte er, es gebe eine im Orient praktizierte Methode der Hypnose, die in der westlichen Welt weitgehend unbekannt sei. Und zwar könne sie aus einem bestimmten Grund nicht in der westlichen Welt praktiziert werden: Das Hypnotisieren geschehe nämlich durch Musik, durch eine bestimmte Kombination von Tönen oder Akkorden, und es gebe fast niemand, der auf die westlichen oder „HalbtonTonleitern" eines normalen Klaviers zum Beispiel reagiere. Diebesondere Gabe des russischen Mädchens, das mit seinen Eltern zu Besuch in der Prieure sei, bestehe eben darin, dass sie tatsächlich für Kombinationen von Halbtönen empfänglich sei, und eben dieser Faktor sei das Ungewöhnliche an ihr. Mit einem Instrument das hörbare Differenzierungen von, sagen wir, Sechzehntel-Tönen hervorbringen könnte, wäre er in der Lage jeden von uns auf diese musikalische Art und Weise in Trance zu versetzen.

Dann ließ er Monsieur de Hartmann eine Komposition auf dem Klavier spielen, die er an jenem Nachmittag speziell für diese Gelegenheit geschrieben hatte. Das Stück kam auf einem bestimmten Akkord zu einer Art Höhepunkt und Gurdjieff sagte, das russische Mädchen werde, sobald dieser Akkord in ihrer Gegenwart erklinge, unwillkürlich und von ihr vollkommen unerwartet in eine tiefe Trance fallen.

Gurdjieff saß immer auf einer breiten roten Couch am Ende des Großen Salons, den gegenüberliegenden Eingang im Blick. Als er die russische Familie kommen sah, gab er M. de Hartmann ein Zeichen, mit dem Klavierspiel zu beginnen, und unter den Klängen der Musik lud er die Gäste mit einer Handbewegung ein näher zu kommen und Platz zu nehmen. Der Tochter wies er einen Sessel in der Mitte des Raumes zu. Sie setzte sich ihm zugewandt hinein - jeder im Saal konnte sie genau beobachten - und hörte der Musik sehr intensiv zu, als sei sie tief berührt davon. Und wirklich, genau an der vorausgesagten Stelle, als der gewisse Akkord erklang, schien ihr Körper vollkommen schlaff zu werden und ihr Kopf sank in den Sesselrücken.

Sobald M. de Hartmann zu Ende gespielt hatte, liefen die bestürzten Eltern zu ihr. Gurdjieff trat hinzu, erklärte ihnen sein Experiment und versicherte ihnen, dass ihre Tochter eine ungewöhnliche Empfänglichkeit besitze.

Fritz Peters - Kindheit mit Gurdjieff Kapitel 30

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